Liebe Leserinnen und Leser!
In den nächsten Wochen entscheidet sich die Zukunft des Volkswagen-Konzerns: Während der jüngsten digitalen Betriebsversammlung hat sich die VW-Betriebsratsvorsitzende Daniela Cavallo unmissverständlich dafür ausgesprochen, das neue
„Trinity“-Werk auf Wolfsburger Stadtgebiet zu bauen. Diese deutliche öffentliche Aussage lässt darauf schließen, dass intern entweder eine Vorentscheidung gefallen ist - oder der Betriebsrat so eine Entscheidung vorweg nehmen will, indem er öffentlichen Druck aufbaut und (intern) Verbündete um sich scharrt.
In Warmenau bereitet man sich mental schon mal darauf vor, dass die E-Autos der zweiten Generation bald hier im Gewerbegebiet produziert werden. Die Politiker haben dem Projekt zugestimmt, beharren aber auf einem Verkehrskonzept, das nicht noch mehr Pendler als ohnehin schon durch den kleinen Ort fahren lässt. Einige Bürger wollen „Trinity“ nicht auch noch vor ihrer Haustür haben und
unterstützen eine Online-Petition, die den Bau der Autofabrik auf der grünen Wiese verhindern will. Auch bei Volkswagen selbst und in der IG Metall gibt es Stimmen, die „Trinity“ lieber auf dem Gelände des Stammwerks sehen würden, anstatt noch mehr Grünland zu bebauen. Es bleibt spannend, bis Ende März soll die Entscheidung gefallen sein.
Den Wolfsburger Beschäftigten dürften beide Lösungen recht sein: Denn sie müssen ab April vermutlich
eine ganze Weile auf Nachtschichten verzichten. Nicht, weil keiner Golf oder Tiguan kaufen will. Sondern, weil der Konzern-Vorstand nach wie vor die dringend benötigten Chips in gewinnträchtigere Autos einbauen lässt - und den Berg an Bestellungen in Wolfsburg immer größer werden lässt. Glaubt man dem Vorstand, kauft bald die ganze Welt Elektroautos aus dem VW-Konzern – vermutlich bewerben sich jetzt schon viele aus der Stammbelegschaft fürs „Trinity“-Werk in der Hoffnung, dort einen sicheren Job plus Nachtschichtzuschlag zu bekommen.
Sicher waren viele Jahre lang die Jobs rund ums China-Geschäft – doch im Reich der Mitte läuft es für Volkswagen alles andere als rund. Insider geben längst zu, die Wünsche der chinesischen Kunden falsch eingeschätzt zu haben – und in Sachen Software nur noch in zweiter Reihe zu tanzen. Mit dem neuen Software-Paket soll alles besser werden. Außerdem wolle man mehr Dinge für den chinesischen Markt vor Ort entwickeln…na wo denn sonst?
Diess selbst präsentiert sich gerne als moderner, nahbarer Manager: So beantwortete er kürzlich auf der Online-Plattform „reddit“ nicht nur technische,
sondern auch sehr persönliche Fragen – etwa nach seinem Lieblingskäse. Auch Fachmagazine beschäftigen sich inzwischen mit der Social Media-Strategie des Konzern-Chefs. Und sehen in ihm ein Vorbild für andere Topmanager.
Apropos Vorbild: Wer Elektro-Autos emotionalisieren will, sollte sich Audi zum Vorbild nehmen. Die Ingolstädter haben nicht nur drei e-tron-Prototypen an der harten Rallye Dakar teilnehmen lassen, sondern jetzt auch einen
E-Sportler für den Internet-Star und Drift-Künstler Ken Block gebaut. Der Amerikaner ist für seine Drift-Videos berühmt, in denen er etwa mit einem Ford Mustang lärmend und qualmend durch London und Los Angeles driftet. Und bald eben mit einem leisen E-Sportler aus Ingolstadt beziehungsweise Neckarsulm – dort sitzt die Mannschaft von Audi Sport.
Ein sportlich bedeutender Tag war auch der 17. Februar 1972: Damals überholten VW-Beschäftigte den Produktionsrekord des Ford Model T und feierten den „Weltmeister“-Käfer. Wer Geschichte einmal anfassen will: Der
originale Weltmeister-Käfer und ein Model T stehen zwei Wochen lang auf der Piazza der Autostadt und sorgen für eine wohlige Gänsehaut…
Gute Fahrt wünscht Ihnen
Carsten Bischof