Liebe Leserinnen und Leser,
mit Weihnachten steht das Fest der Liebe unmittelbar bevor. Vielleicht war ja auch das ein Grund dafür, dass bei Volkswagen in der Führungsetage nach dem Krach in den letzten Wochen wieder Harmonie einkehrt. Nach der spontan einberufenen Aufsichtsratssitzung am Montagabend demonstriert man im Konzern Einigkeit - jedenfalls nach außen. Die von ihm gewünschte Vertragsverlängerung wird Konzern-Chef Herbert Diess zwar noch nicht unter dem Christbaum finden, dafür aber eine Grußkarte mit allerlei netten Worten. Er genieße die volle Unterstützung, lässt das Kontrollgremium verlauten und stimmt ein
Loblied auf Diess’ Leistungen bei der Transformation des Unternehmens an. Selbst Betriebsratschef Bernd Osterloh stellt sich voll hinter den eingeschlagenen Kurs - freilich nicht ohne auf die Gleichrangigkeit von Wirtschaftlichkeit und Beschäftigungssicherung zu verweisen.
Als Belohnung für den Schulterschluss gibt es für die beiden Protagonisten des Machtscharmützels Geschenke: Diess kann sich über die Besetzung der drei vakanten Vorstandsposten mit seinen Favoriten und Vertrauten freuen.
Thomas Schmall übernimmt das neue geschaffene Technik-Ressort, Murat Aksel den Einkauf und Arno Antlitz die Finanzen. Besonders letzterer war beim Betriebsrat bisher auf wenig Gegenliebe gestoßen.
Doch das Zugeständnis lohnt sich: Denn im Gegenzug gibt es das klare Bekenntnis, den Konzernsitz Wolfsburg mittelfristig zur richtungsweisenden Fabrik für die Fertigung von Elektrofahrzeugen zu machen - das wiederum hatte bei Osterloh schon länger ganz oben auf dem Wunschzettel gestanden.
Das künftig führende Elektro-Auto Volkswagens soll dann aus Wolfsburg kommen. Wie es aussehen und was es alles können wird, darauf darf man schon jetzt gespannt sein. Die Vorgänger aus Zwickau jedenfalls schlagen sich auch schon prächtig,
wie unser WAZ-Test des ID.4 zeigt.
Die ungewohnte Ruhe und Besinnlichkeit wird bis zum Jahresende auch in den Werkshallen Einzug halten - dort aber eher ungewollt. Absatztief und die zweite Corona-Welle inklusive neuem hartem Lockdown machen das Autobauen schwer.
Die Golf-Produktion läuft aufgrund des Teilemangels bis zum Jahresende allenfalls auf Sparflamme. Auf die Produktioner wartet Kurzarbeit. Grund: Ein wichtiger Zulieferer fällt aufgrund von Corona-Fällen in den eigenen Reihen erstmal aus. In der Weihnachtswoche selbst sollten die Mitarbeiter in den direkten Bereichen wegen der Absatzflaute sowieso schon Urlaub machen. Die langgezogenen Weihnachtsferien sind also eher nicht als Weihnachtsgeschenk an die Belegschaft zu verstehen.
Die erhofft sich eine reiche Bescherung eher von den nun startenden Tarifverhandlungen.
IG Metall und Betriebsrat wollen ihren Schützlingen am liebsten 4 Prozent mehr Lohn, eine Ausbildungsgarantie und mehr Freizeit unter den Baum legen. Spätestens hier dürfte es mit der weihnachtlichen Harmonie vorbei sein, angesichts der coronabedingt problematischen wirtschaftlichen Lage werden die Verhandlungen sicher mit harten Bandagen geführt. Aber so ganz ohne Streitigkeiten gehen die Festtage ja auch in den besten Familien nicht vorüber.
Gute Fahrt wünscht Ihnen
Steffen Schmidt