Liebe Leserinnen und Leser,
dass sich die Transformation der Arbeitswelt auch auf die Mitbestimmung auswirkt, kann man gerade in Wolfsburg hautnah erleben. Die sonst so einige Arbeitnehmerschaft steht in diesem Jahr vor einem Härtetest. Bei den Betriebsratswahlen im März
treten gleich acht verschiedene Listen an - und das nicht etwa, weil es so viele Gewerkschaften gibt. Nein: Innerhalb der traditionell bei VW absolut dominierenden IG Metall regt sich Widerstand. Die Liste der mächtigen Gewerkschaft bekommt Konkurrenz aus den eigenen Reihen. Die WAZ stellt die einzelnen Listen in einer Serie vor, damit sich Belegschaft ein Bild machen kann. Die Liste
“Wir für euch” etwa fordert unter anderem eine unbürokratischere Organisation und einen Betriebskindergarten,
“Die Unabhängigen” wollen eine stärker auf das Individuum fokussierte Personal- und Qualifizierungspolitik.
Was in einer Demokratie normal sein sollte - nämlich ein fairer Wahlkampf trotz Konkurrenz und unterschiedlicher Standpunkte -, daran muss man sich bei VW wohl noch ein wenig gewöhnen. Denn leider artet der Wahlkampf immer mehr zur Schlammschlacht aus. Im Fokus stehen dabei vor allem die IG Metall-Liste und
Frank Patta mit seiner “Anderen Liste”. Beide Seiten liefern sich ein unschönes Gefecht um das Gehalt ihrer Spitzenkandidaten - ein Punkt, der objektiv gesehen eigentlich keine Rolle spielen sollte.
Daneben fühlen sich die kleineren Listen wegen eines anderen Vorfalls schlecht behandelt. Ihre Plakate und Flyer im Werk wurden teilweise mit IG metall-Werbung überklebt, oder gleich abgerissen. Kein schöner Zug, der die angespannte Stimmung im Werk gut widerspiegelt. Bis zur Wahl im März dürfte es noch unterhaltsam und spannend werden.
Mit Spannung erwartet wird in Wolfsburg aber vor allem die Standortentscheidung Volkswagens für das neue VW-Werk.
Warmenau gilt als Top-Favorit - auch weil die Politik schonmal freie Bahn geschaffen hat. Schon jetzt beginnt die Arbeit an den benötigten Flächennutzungs- und Bebauungsplänen. Dafür sorgten die betroffenen Ortsräte mit ihrem Votum - trotz vorhandener Bedenken, vor allem was den Verkehr und den Umweltschutz angeht.
Denn zu wichtig ist das Projekt für Wolfsburg und Volkswagen. der Autobauer will dort eine der modernsten Fabriken der Welt hochziehen, die Mobilität mit dem Trinity auf eine neue Stufe heben und Tesla den Kampf ansagen. Wobei: Der
neue TÜV-Report zeigt, dass beim großen amerikanischen Widersacher Tesla auch nicht alles Gold ist, was glänzt. Beim traditionellen Autobau besteht noch viel Nachholbedarf, wie die Mängelquote zeigt. Alles sollte man sich also lieber nicht von Tesla abschauen.
Gute Fahrt wünscht Ihnen,
Steffen Schmidt